„Das Internet hier geht nicht!“, hört man Urlauber oftmals raun(z)en. Oder: „Mein Whatsapp bringt keine Nachricht raus!“ – und am allerschlimmsten: „Können Sie mir mal mit meinem Handy helfen?“ Wenn solche Meldungen an mein Ohr dringen, dann arbeite ich innerlich hart, um die Grausbirnen am Aufsteigen zu hindern. Als Touristiker, der ich nun einmal bin, begegnen mir derartige Leidgeschichten ziemlich oft, und manchmal muss man seinen Hass hinausplärren, oder im Falle eines Blogs, posten. Daher dieser Hasspost.
Wie gesagt, mir begegnen derartige Leidgeschichten ziemlich oft, meist aus dem Munde in die Jahre gekommener Damen, die mir dann ein Smartphone entgegen halten. Meist wird es mit Blicken übergeben, die für sich sprechen: manchmal fordernd, bisweilen verbissen, manchmal auf Erlösung hoffend.
Dies ist ein bitterliches Wehklagen über die übermäßige Ausbreitung der Seuche Techignoranz. Jene Hürde, die es einem schier unmöglich macht zu begreifen, dass E-Mail und Google nicht das gleiche sind. Dass ein aufleuchtender Monitor noch nicht bedeutet, man genieße Netzzugang. Dass ein Desktop-Icon allein noch nicht die einwandfreie Funktion der dahinter verborgenen Applikation garantiert.
Ich bin kein Freizeit-Lokomotivführer
Zur Klarstellung: Ich habe auch keine Ahnung von Spezialtechnik der Bundesbahn. Doch ich fahre in meiner Freizeit auch nicht mit Lokomotiven herum. Will sagen: Wer ein Gerät nutzen will, der möchte sich bitte – BITTE! – mit seinen grundsätzlichen Funktionen vertraut machen. Um beim Bild zu bleiben: Wer sich eine Dampflokomotive anschafft, sollte zumindest den Kohlentender vom Wassertank unterscheiden können und hin und wieder kontrollieren, ob in der Feuerbüchse noch was brennt.
Und da steht sie jetzt vor mir. Nein, keine Dampflokomotive. Aber so ähnlich: Eine dieser älteren Damen, ausgestattet mit einer Handvoll Technik (im wahrsten Sinne des Wortes), einer Wagenladung Ratlosigkeit und – dampfend. Vor Ungeduld.
Dieses Stereotyp der Gegenwart ist wie viele seiner Vertreter mit einem Smartphone der vorletzten Generation ausgestattet (neueste Generation hat der Sohn, letzte Generation die Schwiegertochter; bleibt für Mutti iPhone 6). Doch selbst hoffnungslos veraltete Geräte halten weit mehr Funktionen bereit, als dies den meisten Nutzern lieb oder bewusst ist. Doch so tief wollen wir gar nicht in die materia doloris eindringen.
Meist steht dem ungehinderten digitalen Glück der Umstand im Wege, dass man für zahlreiche Anwendungen eines Mobiltelefones der ungefähren Jetztzeit einer Verbindung zum Internet bedarf. Und wie man diese herstellt, hat sich offenbar noch nicht in die hinteren Gassen von Alt-Piskelow in der Uckermark und St. Burli am Gschtieselsee herumgesprochen. Doch will man diese Wissenslücke schließen? Will man einmal sein Telefon selbst einwandfrei bedienen können? Ach nein, da gibt es sicher einen, der da helfen kann. Ja, helfen muss!
Zu Hause geht das von alleine
„Wie – verbinden? Ich will ja nur eine Whatsapp-Nachricht schicken“, ist schon schwer zu verdauen. Schon verstanden, für manche ist eben Whatsapp nur eine grüne Sprechblase mit Telefonhörer, und wenn man draufdrückt, dann meldet sich Schwiegersohn Jürgen-Michael. Doch die Hand ballt sich zur Faust, wenn für die eigene Technignoranz fremde Schuldige verortet werden: „Verbindung herstellen? Was soll denn der Mist hier? Bei mir zu Hause geht das von alleine!“ Ja klar, Fürstin Hannelore adelt uns mit ihrer Anwesenheit, da hat gefälligst alles von selbst zu laufen. Und die mitgebrachten, nur in Grundzügen bekannten Maschinen möchte ich als Reiseleiter gefälligst in ehrfurchtsvoller Demutshaltung zur Funktion bringen.
Die Gedanken an Gewalt simmern bereits ein wenig im Schmorbad der Gefühle. Echte Mordlust will jedoch bei der Fortsetzung des Gesprächs aufkeimen. Frage: „Sind Sie mit dem Internet verbunden?“ Darauf die resolut-vorwurfsvolle Antwort: „Das weiß ich doch nicht!“ (Als ob es meine Schuld wäre, dass Gnädige Frau keine Ahnung haben von einer Technik, die sie nutzen möchte.) Weißgluttreibend ist auch die unwissende Unschuld, die in Form des Verweises auf Enkel Alfi oder sonst irgendeinen geekigen Helden in der Verwandtschaft daherkriecht: „Zu Hause macht das immer mein Sohn!“ Soll heißen: „Ich bin unschuldig!“ Ach so, es macht immer der Sohn. Wenn’s immer ein anderer macht, dann soll es im Urlaub gefälligst auch ein anderer machen. Na dann: Absolution erteilt. Knurr!
Ein Seufzer, drei Klicks, ein leiser Ton, dann sind alle Probleme gelöst. Endlich erfahren Gisela und Erwin zu Hause, dass Tante Lore gut im Urlaub angekommen ist. Ein Seufzer, drei Klicks, zum eintausendsiebenhundertdreiundachtzigsten Mal.
DBDYCH
Freundlich lächelnd verabschiede ich die Dame in die Seligkeit der Verbundenheit. Die mitleidsvoll-mildtätige Gewährshaltung ist nur Fassade. Tief in mir drinnen brüllt etwas: „Lernen Sie den Umgang mit Ihrer Technik! Die Scheiß-Glotze einschalten hat ja auch jeder gelernt!“
Im Laufe der Zeit hat sich diese Haltung der inneren Zerfetztheit gegenüber der Technignoranz zu einem Prinzip geformt: DBDYCH: Don’t buy a device you can’t handle!!! Und wer das jetzt nicht verstehen möchte, der frage seinen Enkel Alfi.